KAPITEL 16

Schwimmen im Meer der Regressionstherapie

Wenn wir unter die Wellen des Alltagslebens tauchen und beginnen, uns für die Gefühle und Empfindungen zu öffnen, die uns ein Not leidendes Gehirn auf Umwegen übermittelt, dann betreten wir eine sehr ungewöhnliche Welt. Wie ist es dort, und wie können wir uns in dieser Welt bewegen?

In der Welt der Psyche herrscht eine Freiheit, die wir im Alltagsleben nie erreichen können. Innen ist es, als würden wir in einem dreidimensionalen Raum schweben, vergleichbar einem Taucher, der zwischen dem Grund und der Wasseroberfläche schwebt. Aber anders als der Taucher können wir uns in jede Richtung bewegen, ohne Arme und Beine zu benutzen, Wir bewegen uns, indem wir uns einfach ein Ziel vorstellen, und dann gleiten wir dorthin, als würden wir in einer Fantasiewelt leben. So können wir uns auf innere Gegenstände zu bewegen oder uns von ihnen entfernen. Wir können tiefer oder flacher tauchen, oder, wenn wir es wollen, das Wasser ganz verlassen.

Wir können innere Objekte und Vorgänge mit unseren Sinnen und unserer Intuition genauso erkunden, als hätten wir es mit Vorgängen in der Außenwelt zu tun.

Wir erleben das, was uns im Innern begegnet, genauso lebhaft wie die Dinge, die draußen sind. Und wir können uns von den gleichen Reaktionen leiten lassen. Doch wir sind unendlich wendiger, sodass wir uns sehr langsam, aber auch, wenn wir das wollen, schnell wie ein Blitz bewegen können. Es ist uns sogar möglich, uns während einer Therapieerfahrung aufrecht hinzusetzen, die Augen zu öffnen und uns dadurch von unserer inneren Welt zu lösen.

Wir können uns jedoch nicht immer darauf verlassen, dass die innere Welt, im Gegensatz zur äußeren Welt, fest gefügt und von uns getrennt bleibt. Hier kann es uns passieren, dass wir überwältigt werden und die Kontrolle über das, was passiert, verlieren. Wir tragen in uns das uralte Wissen unserer Spezies, dass irgendetwas in den Tiefen unserer Seele sich unserer Kontrolle entziehen und uns so einen tödlichen Schrecken einjagen könnte. Was wir in der inneren Welt beobachten (beispielsweise ein Traumbild), kann unter Umständen plötzlich auf uns zu kommen und unsere Fähigkeit, uns von ihm getrennt zu halten, überrennen.

So haben die Menschen vor Kontrollverlust genau so viel Angst wie vor sonst irgendetwas. Wir fürchten, von einem Gefühl übermannt zu werden, das so mächtig ist, dass es uns zum Handeln zwingt, sodass wir uns selbst oder jemand anderen verletzen müssen. Wir haben Angst, von unseren Gefühlen überwältigt zu werden, durchzudrehen und in ein gigantisches Irrenhaus verfrachtet zu werden, wo man uns auf eine obskure Station bringt, uns einschließt, in eine Zwangsjacke steckt und mit Drogen voll pumpt oder mit Elektroschocks behandelt, sodass wir dahinvegetieren und nie wieder auftauchen.

Tatsächlich ist nicht auszuschließen, dass einige Menschen, die versuchen, dieses Buch zu benutzen, schließlich die Hilfe eines Psychiaters oder einer psychiatrischen Einrichtung benötigen könnten. Die eben beschriebene Situation gehört jedoch eindeutig einer archaischen Vergangenheit an.

Ich glaube aber, dass man einen ernsthaften Zusammenbruch dadurch vermeiden kann, dass man die Vorsichtsmaßnahmen beachtet, die ich schon aufgeführt habe, bzw. noch beschreiben werde.

Sind wir erst einmal unter die Oberfläche des Alltags-Selbst getaucht, so schweben wir in unserer dreidimensionalen Welt. Wir begegnen den schon zuvor erwähnten Botschaften. SPEZIFISCHE KÖRPEREMPFINDUNGEN streifen uns, wie die Spitzen von Korallen. DIFFUSE INNERE KÖRPERZUSTÄNDE huschen wie dunkle Schatten um uns herum. GEFÜHLE machen sich wie Wasserströme unterschiedlicher Temperatur bemerkbar. BILDER begleiten uns, wie Kreaturen der Unterwasserwelt, und BILDFOLGEN ziehen an unseren Augen wie Fischschwärme vorbei.

Der Unterschied zwischen der Unterwasserwelt des Selbst und derjenigen des Ozeans besteht natürlich darin, dass alles, was wir in der Unterwasserwelt des Selbst sehen, aus den Tiefen der eigenen Seele dorthin projiziert wurde. Es ist eine symbolische Welt, und weil sie tief aus unserem Inneren kommt, hat alles in ihr eine Bedeutung für uns. Wir spüren die Verwirrung und den Sog der Gezeiten, die von diesen möglichen Bedeutungen ausgehen, und wir wissen, dass wir an einem Platz sind, der uns etwas zu sagen hat - wenn wir nur lernen, ein Ohr dafür zu haben.

Mit Hilfe unserer Unterwasser-Sinne können wir uns öffnen, sodass wir unsere inneren Qualen spüren. Wir fühlen den Schmerz im Nacken und das diffuse Unwohlsein und den Brechreiz im Bauch. Wir nehmen das Engegefühl in unserer Brust wahr die dunklen, schmerzhaften Landschaften unseres Inneren werden um uns herum sichtbar.

Sind wir zum Beispiel ins Meer unserer Innenwelt getaucht und fühlen dann dort eine ungewöhnlich starke Angst vor Kritik, dann ist diese übertriebene Angst etwas, das in der wirklichen Welt nicht existiert. Wir haben sie aus unserem tieferen Selbst heraus auf das Meer, das uns umgibt, projiziert, und so können wir uns jetzt auf sie zu bewegen, oder uns vor ihr zurückziehen.

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